Z wie…

Zaunkönig

Der Zaunkönig ist ein Singvogel aus der gleichnamigen Familie, welcher sich auf der gesamten nördlichen Hemisphäre finden lässt. Da er selbst im Winter singt, trägt er auch den Beinamen Schneekönig. Als drittkleinste Vogelart Europas besteht seine Nahrung vornehmlich aus Arachnen und Insekten. Der Zaunkönig ist von bräunlicher Färbung und weist eine rundliche Gestalt mit weit aufgestelltem Schwanz und eingezogenem Kopf auf. Seine Körperlänge erreicht bis zu elf, seine Spannweite bis zu 15 Zentimetern bei einem Gewicht von maximal elf Gramm. Seine langen und scharfen Krallen erlauben es dem Zaunkönig sogar, einen Baum zu erklimmen. Bei großer Kälte legt der Zaunkönig eine Art Schwarmverhalten an den Tag, indem er sich in Gruppen von mehreren Tieren zum Schlafen in einem Kreis zusammenfindet, den Kopf nach innen gerichtet, um in einem geteilten Nest Wärme zu finden. Diese Nester finden sich vorzugsweise in Büschen, Hecken oder Dickicht – was wohl auch seine Affinität für menschlich gestaltete Gärten erklärt – und werden bei Wintereinbruch gen Süden verlassen.

Seinen Namen verdankt der Zaunkönig einer Fabel, die in ihrer bekanntesten Version von den Gebrüdern Grimm vorgelegt wurde und nach welcher die Vögel jenen zu ihrem König krönen wollten, welcher am Höchsten zu fliegen vermochte. Die Herausforderung meisterte einzig der Adler. Doch der leichte Zaunkönig hatte sich dem Adler auf den Rücken gesetzt, ohne von jenem bemerkt worden zu sein und schlug letztlich am Scheitelpunkt des Adlerflugs kurz mit den Flügeln, wodurch er die Maximalhöhe des Adlers noch übertreffen konnte. Doch die Vögel akzeptierten diese List nicht und riefen einen neuerlichen Wettstreit aus, bei welchem es galt, am Tiefsten in die Erde einzudringen. Auch hier machte sich der Zaunkönig seine geringe Größe zunutze, indem er in ein Mauseloch kroch. Erzürnt über die erneute List des Zaunkönigs, setzten die übrigen Vögel ihn im diesem Loch fest, auf dass er verhungere. Doch durch die Unachtsamkeit der als Wache eingeteilten Eule gelang dem Zaunkönig die Flucht. Seither gilt der Zaunkönig auch als Sinnbild der List. Die eigentlichen Vorlagen zu dieser Fabel aus dem frühen 19. Jahrhundert stammen vom mecklenburgischen Pastor Mussäus und vom niederdeutschen Literaturwissenschaftler Karl Goedeke und zählen zu den Herrschaftsanalogien, bei welchen aus dem Tierreich hergeleitete Vorstellungen von Herrschaft und entsprechender Befähigung und Berechtigung als Grundlage der Volkserziehung zur gottgegebenen Ordnung dienten. In diesem speziellen Falle sollen körperliche Kraft und Ausdauer die Grundlage der Herrschaft darstellen, wohingegen die List des Zaunkönigs als ehrlos und hinterhältig dargestellt und daher quasi-demokratisch missachtet werden. Die Parallelen zum reichsdeutschen Wahlkaisertum sind offensichtlich.

Einen praktischen Nutzen hat der Zaunkönig besonders in wild und natürlich gestalteten Ziergärten, welche ja vor allem der Entspannung auf dem eigenen Grundstück dienen sollen. Denn mit dem ein oder anderen scheinbar achtlos drapierten Haufen alten Geästs bietet man eine Nist-, mit einigen Wildblumen eine Nahrungsgrundlage für den kleinen Insektenjäger, welcher sich dafür nicht nur mittels ganzjährigem Gesang erkenntlich zeigt, sondern auch für eine entspannte Gartenatmosphäre sorgt, indem er eben die Wespen vom Kuchen oder die Fliegen von der Hängematte fernhält. So wird dann aus einem kleinen Vogel auch gleich ein Instrument der Gartenkultur und -kultivierung.

Quellen:

Bies, Werner: Art. Zaunkönig. In: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 14. Berlin/Boston 2014, Sp. 1211-1214

Bosch, Stefan: Wenn Zaunkönige zusammen kuscheln: Verhalten einer Gruppe von Zaunkönigen (Troglodytes troglodytes) im Gemeinschaftsschlafplatz im Winter. In: Vogelwarte 52 (2014), S. 191-199

Dallmann, Manfred: Der Zaunkönig. Troglodytes Troglodytes (Neue Brehm Bücherei 577). Wittenberg 2003

NABU: Der Zaunkönig – Ein Märchen der Gebrüder Grimm. Online unter: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/2004-zaunkoenig/01906.html (zuletzt abgerufen am 16.04.2016)

NABU: Der Zaunkönig ist Vogel des Jahres 2004. Online unter: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/2004-zaunkoenig/ (zuletzt abgerufen am 16.04.2016)

NABU: Möglichst viel Unordnung: Eine Anleitung für den idealen Zaunkönig-Garten. Online unter: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/naturschutz-im-garten/02026.html (zuletzt abgerufen am 02.06.2016)

Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretationen. Berlin 2008

von Korbinian de Lappé

Lesen Sie hier die Version mit Fußnoten


Gehe direkt zu

A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z